Jeder Mensch lebt auf zwei Ebenen:

Auf der einen leistet man etwas, das von anderen gesehen und beurteilt wird. Da hat man Erfolg oder Misserfolg, da wird man getrieben von Ehrgeiz und Machtwillen und Besitzgier und Eigennutz und Eitelkeit, und man ist in Unruhe und verzettelt sich in lauter Betrieb. Und es muss immer mehr sein und genug ist nie genug.

Auf der anderen Ebene sieht einen ein anderes Auge, und man wird mit einem anderen Maßstab gemessen, der lässt nichts gelten als das, was ganz ohne Berechnung getan wird, ganz ohne Egoismus, aus keinem anderen Motiv als dem der Liebe und der Freude.

Nur Letzteres bringt Erfüllung und Glück in der Tiefe.

Im Tantra lernen wir, von einer Ebene auf die andere zu springen.

Dann sind wir auf Erden im Himmel – oder: Dann leben wir bereits hier und jetzt im Paradies.

Das ist ein wunderbares Hinweisschild für Dein Leben: Orientiere all‘ Dein Tun nur noch an zweierlei: Entweder an Liebe oder an Freude. Die Liebe  äußert sich im Dienen für Menschen auf selbstlose Weise. Indem Du ihr Erblühen und Wohlergehen siehst, bist Du selbst beschenkt und Dein Herz ist erfüllt. Dieses Dienen in Liebe hat manchmal mit Opferbereitschaft zu tun, manchmal mit Unbequemlichkeit, manchmal mit Demut und mit Sterben von unreifen Ich-Anteilen, es schmeckt nicht immer süß.

Und das zweite, woran Du Dein Tun orientieren solltest, ist die Freude. Folge spontan, wie ein kleines Kind dem, was Freude macht. Sinne dabei nicht über den Sinn und Nutzen oder die Wirkung nach und erst recht nicht darüber, was andere darüber denken. Umarme, tanze auf der Straße, lege Dich im Regen auf eine Wiese…Folge den Impulsen, die in Dir sind, aber dann viel zu oft von Vernunft und Verstand gedeckelt werden. Erlaube es Dir verrückt und anders zu sein.

Im Tantra leben wir in heiliger Anarchie – es gibt keinen Leiter, keinen ersten, zweiten, dritten, vorletzten, letzten, keinen der befiehlt und keinen der gehorcht, keinen der privilegiert ist, jeder gehorcht jedem, oder besser gesagt: jeder gehorcht der Notwendigkeit. Und wir haben einen Brennpunkt: Die universelle Liebe, die die wunderbare Sinnlichkeit der Erde mit einbezieht.

Tantra ist eine offene Gemeinschaft – wo alle Konfessionen einen Platz haben Christen, Hindus, Muslime, Atheisten. Sich zu vertragen ist ein ständiges Lernen.

Die meisten Menschen kennen die Liebe nur als „Verliebt-Sein“. Sie sind in Männer und Frauen verliebt, in Häuser, Autos, in TV-Serien, in Geld, in Karriere, in Arbeiten, in Berühmtheit, in Klamotten…

Verlieben heißt Festhalten.

 Ergreifen und Festhalten und ganz auskosten, besitzen und besessen werden für den Moment, sich mit Haut und Haaren verschreiben und hingeben, ohne an ein Morgen zu denken, ist im Tantra okay. Doch dabei darf es nicht bleiben.

Denn wenn das Ergreifen und Festhalten zum krampfhaften Anklammern und ängstlichen Kleben wird, verbunden mit dem Zwang zu Kontrollieren und den Besitz mit Gewalt notfalls zu verteidigen, dann ist es ein selbst gebautes Gefängnis, aus dem Du nur noch unter viel Schmerz und Leid entkommen kannst.

Denn alles, was Du festhältst ist vergänglich und wird wieder gehen. Darum trainiere im Tantra die hohe Lebenskunst, zu genießen nach Strich und Faden und dennoch nicht an das schöne Erlebnis, die Liebesekstase, den Genuss, den ekstatischen Glücksmoment festzuhalten. Das gelingt, wenn Du das Vertrauen trainierst, das die Ekstase jeden Augenblick auf Dich wartet und wiederkommen kann, aber erst wenn Du Dein Seelengefäß entleert hast von allem Vergangenen Glück und auch Leid. Ehre auch die Leere und die Stille.

Wenn Du das schaffst, bist Du ganz nah dran an…Göttlichkeit.